Markus Popp aka Oval gehört seit Jahren zu den international angesehensten und einflussreichsten Produzenten zeitgenössischer elektronischer Musik. Die CD-Veröffentlichungen, Remixes und Film-soundtracks von Oval gelten als zeitlose Klassiker, viele davon als Wendepunkte des Genres. Popps radikaler, verfahrensorientierter und trotzdem hochmusikalischer Ansatz war die Vorweg-nahme von »glitch«, »clicks & cuts« und »minimal« und inspiriert/provoziert bis heute eine ganze Generation von Musikern. Die charakteristische Spannung aus strengem Formalismus und subtiler, organischer Melodik machten seine eindringliche »Musik 2.0« von Anfang an unverwechselbar.
Nach einer jahrelangen Pause kehrt Oval nun mit einem neuen, bahnbrechenden, »hyperrealen« Stil zurück: mit mehr als 150 Tracks, verteilt auf zwei EPs (Oh! EP und Oval/Liturgy Spilt EP) und zwei Doppelalben (O, OvalDNA). 2013 folgte Calidostópia!, eine völlig neue, überraschende Kollaboration.
INNOVATION UND IRRITATION
Popps frühe, inzwischen legendäre Oval-Alben begründeten eine völlig neue digitale Klang- und Pro-duktionsästhetik. Er hat diesen sofort wiedererkennbaren Stil über viele Projekte und Kooperationen mit Produzenten und Künstlern aus den unterschiedlichsten Bereichen ständig weiterentwickelt. Neben den langjährigen Projekten MICROSTORIA (mit Jan St. Werner/Mouse on Mars) und SO (mit Eriko Toyoda) hat Popp gearbeitet mit bzw. für: Björk, Ryuichi Sakamoto, Apparat, Tortoise, Mouse on Mars, Warren Suicide, Squarepusher, Jim O’Rourke, Pizzicato 5, Gastr Del Sol usw. Auf vielen Tourneen, Workshops und Vorträgen rund um die Welt hat Popp seine Positionen zu Mu-sik, software und digital audio workflow erfolgreich vorgestellt & diskutiert. In den letzten Jahren erweiterte sich sein Spektrum in Richtung interaktiver Arbeiten, Tanzperformance und electronic arts. So wurde z.B. seine spektakuläre, interaktive Klanginstallation Ovalprocess (eine generative Oval-Klangmaschine basierend auf einer selbstentwickelten Musiksoftware) mit dem Prix Ars Electronica ausgezeichnet und in zahlreichen Museen, Galerien und Ausstellungen gezeigt. Popps eindringliche Klangkonstrukte hielten außerdem Einzug in die Welt der Werbung, der Mode und des (art house-) Films (Referenzen: Armani, Prada, Comme Des Garcons, Harmony Korine, SONY, SEGA, Amberley Productions, Masako Tanaka). In Tetsyua Mizuguchis wegweisendem Videospiel REZ hat Popp außerdem ein komplettes Oval-Bonuslevel versteckt – die Spielekonsole verwandelt sich nach dem Durchspielen des letzten Levels in eine generative Oval-Klanginstallation!
EIN NEUER OVAL SOUND
Mit der Oh EP und der Doppel-CD O, beide 2010 auf Thrill Jockey Records (Chicago) erschienen, öff-nete Popp ein völlig neues Kapitel in seinem kritischen Dialog mit der Musik. Und die Überraschung war perfekt: O ist ein mehr als 100 Tracks umfassendes Manifest, gleichermaßen radikale Abkehr wie erneute Herausforderung der Musik-wie-wir-sie-kennen – aber diesmal spielte sich alles innerhalb der Musik ab: an die Stelle von Diskurs und Dekonstruktion der 1990er tritt nun eine organische »Band«-Atmosphäre, basierend auf detailverliebten, wie live gespielten Motiven von Gitarre, Bass und Schlagzeug. Wie aus dem Nichts debütierte Popp hier als Produzent von unerwarteter Vielseitigkeit, weit über die experimentelle elektronische Musik hinaus. O(h) ist eine wilde Achterbahnfahrt – die beiden Forma-te erforschen ein riesiges Spektrum von zarten Pop-Miniaturen bis zu brutal zerrissenen, elektroakustischen Riffs und kollidierender Gitarrenarbeit – begleitet von freien, dennoch ultra-präzisen, akusti-schen Drums. O(h) hat viele Facetten, aber ein großes Thema: neue skills und Sensibilität für eine neue zeitgenössi-sche Musik. Handgearbeitete, polyrhythmische Phrasen und Strukturen, voll feinster, vibrierender Resonanzen und Details münden in Melodien, die rasant Rhythmen, Skalen und Harmonien durch-queren. Trotz einer fast malerisch-nostalgischen »Songwriter 2.0«-Atmosphäre ist O(h) – 2011 vom Prix Ars Electronica mit einer honorary mention ausgezeichnet – kein kitschiger Liebesbrief an die Musik, sondern ein high-tech-Produkt durch und durch. OvalDNA (2012), Popps neue, Opus Magnum-artige Werkschau (auf Audio CD + DVD-ROM), bringt Oval auf ein neues Level: teils Raritäten-Compilation (mit unveröffentlichten bzw. raren Tracks von 1993-2010), teils Open-Source-Manifest (die DVD-ROM enthält mehr als 2000 freie Oval sound files) enthält OvalDNA sogar noch das »verlorengegangene« 2007er Oval Album, eine Video-Dokumentation, Musikvideos, Liner Notes, zehn weitere Bonus Tracks und eine aufwendig gestaltete Musik-Software (OvalDNA player). Das Album erhielt sofort sehr positive Kritiken (»best new reissue« auf Pitchfork.com) und hat Oval den begehrten QWARTZ-Award 2012 eingebracht. Popps neueste Arbeit, Calidostópia!, ist das Ergebnis einer zehntägigen blind-date Aufnahmesession mit sieben jungen Sängern aus ganz Südamerika, realisiert in einem Studio in Salvador de Bahia, Bra-silien. Dieses Projekt wurde unterstützt von verschiedenen Goethe Instituten aus Südamerika und der Cultural Foundation of the State of Bahia. Immense Vorarbeit, unbegrenzter Enthusiasmus und in Dreischichtbetrieb erzeugten ein Album, das Popps feine, hochartifizielle Klanggewebe mit der wun-dervollen Wärme südamerikanischer Stimmen vereint. Popp kam nach Südamerika mit Unmengen an erprobtem sowie unveröffentlichtem Material – und kam zurück mit Dutzenden von intensiven, hin-reißenden songs. Calidostópia! ist verfügbar als legaler Download von www.markuspopp.me.
In einem Zeitalter des Copy-and-Paste und des Herumhantierens mit Presets, Clips und Frequenzen arbeitet Oval einfach weiter an… neuer Musik. Oval ist heute mehr denn je eine unverzichtbare Zusammenführung von Technologie, Recherche und faszinierender Musikalität. Niemand sonst spielt den Computer so wie Markus Popp: kompromisslos, sensibel, enthusiastisch befasst mit dem »Jetzt«.