Joëlle Tuerlinckx

Joëlle Tuerlinckx arbeitet mit Materialien und Situationen. Ihre Installationen beinhalten u.a. Papierarbeiten, Diapositive, Filme und Materialien, die oft vor Ort gefunden werden. Ihr visuelles Vokabular sind Bücher, Vitrinen, Videomonitore und nicht zuletzt die Räume selbst. In Tuerlinckx’ so genannter „Stretch“-Methode werden sie als 1:1 Modelle verdoppelt, als skulpturale Volumina, deren Wände und Böden Markierungen erfahren, um in ihrer bloßen Faktizität wahrgenommen zu werden. Nichts anderes zu tun, als was bereits getan ist („alles ist schon vorhanden“), ist eine erklärte Absicht.
Joëlle Tuerlinckx artikuliert sich zwischen Bild und Wort, Raum und Denken. Durch „walking and thinking and walking“ entwickelt sie Formen der Sichtbarkeit im Raum, wobei der beste Platz im Raum sein Rand ist, „niemals das Zentrum“. Es ist ein Entleeren des Raums, um seinem Repräsentationscharakter zu entgehen. Die sich nun entwickelnde Expositur der Fakten und Gedanken hat hypothetisch Unendlichkeitscharakter, das Werk stellt sich als Situation her, nicht als Objekt, Bild oder Ausdruck.
Die Tendenz zur Überfülle nimmt parataktische Formen an. Gegenstände, Vorgefundenes, Reproduziertes, Zitiertes, Ephemeres wird gleichwertig nebeneinander gestellt und auf unhierarchische Weise miteinander verbunden. Dieses System „rhizomatischer Multiplizität“ (Michael Newman) findet auch in Tuerlinckx’ – naturgemäß unendlicher – Serie „Theory of Walking Page“ Anwendung. Es handelt sich um eine doppelte Unendlichkeit, die der Elemente und die der Kombinationsmöglichkeiten, wobei die Elemente von ihren Eigenschaften und spezifischen Qualitäten befreit sind. Sie sind, wie die farbigen Markierungen auch, Hinweise im Raum. Mit der Kombination verschiedener Zeichensysteme steht Tuerlinckx in der Tradition ihres Landsmanns Marcel Broodthaers. In der gleichrangigen Behandlung von Original und Reproduktion, von Referenzen und Aneignungen, von Bild und Wort unterläuft sie die Identitätskonstruktionen von Kunst und erweitert auf poetische Weise die Möglichkeiten künstlerischer Rezeption.

JOËLLE TUERLINCKX, geb. 1958 in Brüssel, lebt und arbeitet in Brüssel. Ausstellungen (Auswahl): 2008 „Un coup de dés – Bild gewordene Schrift“, Generali Foundation, Wien; 2007 MAMCO, Genf; 2006 Drawing Center, New York; „Nichts“, Schirn Kunsthalle, Frankfurt; 2004 Badischer Kunstverein, Karlsruhe (gemeinsam mit Willem Oorebeek); 2003 The Renaissance Society, Chicago; 2002 Documenta 11, Kassel; 2001 Bonnefantenmuseum, Maastricht; 2000 „Manifesta 3“, Ljubljana; 1999 Museum Dhondt-Daenens, Deurle; Stedelijk Museum voor Aktuele Kunst, Gent; 1996 „NowHere“, Louisiana Museet, Humlebaek; „Inside the Visible“, Whitechapel Art Gallery, London, and National Museum of Women in the Arts, Washington; 1994 Witte de With, Rotterdam (Auszug: Galerie Nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Wien)

Joëlle Tuerlinckx: www.stellalohausgallery.com/artist.asp?id=9